Nachbetrachtung zur Fachkonferenz „Geschlechtergerechte Liefer- und Produktionsketten“, 27.10.2020

„Ohne Alternative: Geschlechtergerechte Liefer- und Produktionsketten – wie wir Wirtschaft, Menschenrechte und Gender zusammendenken müssen!“

Dr. Gisela Burckhardt (FEMNET), Gabriele Heinrich (MdB, SPD), Maren Leifker (Brot für die Welt), Mariangela Linoci (UNCTAD), Prof. Dr. h.c. Christa Randzio-Plath (Marie-Schlei-Verein e.V.), Armelle Seby (Industrial Global Union), Karolin Seitz (Global Policy Forum) und Franziska Korn (Friedrich- Ebert-Stiftung, Moderation) diskutierten gemeinsam mit den Teilnehmer*innen über die Notwendigkeit eines geschlechtergerechten Lieferkettengesetzes.

Die meisten transnationalen Unternehmen lassen in Ländern produzieren, die die Ilo Konventionen Nr. 87 und Nr. 98 – Vereinigungsfreiheit, Vereinigungsrecht und Recht auf Kollektivverhandlungen – nicht ratifiziert haben. Da, wo keine Gewerkschaften aktiv sind und Frauen sich nicht organisieren können, können und werden ihre Rechte auch eingehalten und ihre Arbeitskraft wird ausgebeutet.

Von den 60 bis 70 Mio. Menschen, die weltweit in der Textilindustrie arbeiten, sind 80 % Frauen. Dabei beträgt der Mindestlohn für Frauen in Vollzeit, in beispielsweise Bangladesch, 80 € im Monat. Hinzu kommen viele unsichtbare Frauen, die informell im Textilsektor z.B. in Heimarbeit arbeiten und noch weniger verdienen. Der Lohnanteil am Endpreis von Textilprodukten beträgt dabei hierzulande im Schnitt 1 %.

Auch in der Automobil- und Elektroindustrie arbeiten viele Frauen, vor allem in den Bereichen Elektronik und Verdrahtung, zu vergleichsweise unterbezahlten und rechtsfreien Bedingungen. Auf beispielsweise den Philippinen verdienen Frauen 7 $ Dollar am Tag. Durch die Intensivierung des Sektors durch beispielsweise kürzere Produktionszyklen nimmt der Druck dabei auf die Arbeitenden wie durch Akkord, aber auch die Prekarisierung durch beispielsweise Leiharbeit zu. Häufig fehlen Verträge, Arbeitsschutz und Arbeitssicherheit. Migrantische Arbeiterinnen werden zudem noch unter Druck gesetzt, indem beispielsweise ihre Pässe einbehalten werden.

Im Management und leitenden Posten sind Frauen kaum anzutreffen. Zahlen werden von Unternehmen nicht erhoben und zur Verfügung gestellt. Es obliegt der Zivilgesellschaft, diese Daten zu erheben und zu veröffentlichen.

Die dafür mitverantwortlichen transnationalen Konzerne fühlen sich dabei in ihren Profitabsichten, bei just-in-time-Produktionen und dem Kampf um Marktanteile, abhängig von diesen Billiglohnländern. Die oft zur Schau gestellten Unternehmenswerte – wie Nachhaltigkeit, Diversität und Gleichberechtigung – der Global Player in den Sektoren Elektronik, Industrie und Minen, finden sich hingegen nicht im Alltag der Arbeiterinnen wieder.

Gleichzeitig ist auch der internationale Handel nicht geschlechtsneutral und benachteiligt Frauen überproportional. Frauen sind seltener in der Lage, von den Chancen der Handelsliberalisierung zu profitieren, da sie nur vermindert über produktive Ressourcen wie Land, Vermögenswerte, Kredite, Informationen, Technologie oder Zugang zu Märkten verfügen. Wenn dann Regierungen aufgrund geringerer Einnahmen durch Handelsliberalisierung – Wegfall von Zöllen oder Unternehmenssteuern – ihre Sozialausgaben für Gesundheit und Bildung kürzen, trifft dies wieder die Frauen – mit Kindern, Familie und Sorgearbeit – überproportional. Dabei nutzt neoliberale Wirtschaft vor allem Frauen in ihren Produktionsstätten als eine ausbeutbare und damit profitmaximierende Ressource. Auch wenn es bereits bilaterale Handelsabkommen gibt, die die Gender-Unterschiede berücksichtigen, fehlen immer noch rechtsbindende Abkommen, die die Umsetzung von Frauenrechte durchsetzen.

Insgesamt sieht es so aus, als ob es noch dauern wird, bis internationale und nationale Menschen- und Frauenrechte gesetzlich und bindend in Wirtschaft und Handel verankert werden. Die Bundesregierung, der in diesem Prozess aufgrund der Wirtschaftsmacht Deutschlands eine besondere Vorreiterrolle zukommt, diskutiert weiterhin das Lieferkettengesetz, dass endlich die Unternehmen für den Menschenrechtsschutz in die Pflicht nehmen soll, da jahrelange Freiwilligkeit bisher keine positiven Änderungen bewirkt hat. Aktuell werden die wirtschaftlichen Einbußen von Unternehmen durch Corona in die Debatte geführt, um gegen Beschränkungen von Unternehmen durch die Wahrung von Menschen- und Umweltrechten zu argumentieren. Auch der Entwurf der europäischen Gesetzgebung zur menschenrechtlichen Sorgfaltspflicht von Unternehmen sowie der grundlegenden Reform ihrer Handels- und Investitionspolitik ist noch in Arbeit.

Für Interessierte hier nochmals das Papier „Geschlechtergerechtigkeit in globalen Lieferketten“.

Lizenzfreie Fotos von pixabay und (c) Marie-Schlei-Verein.

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